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Alpenverein Trier


Salbitschijen - Traumklettertour im Granit

"Salbit, das wäre nicht schlecht.“ meinte ich zu Frank. „Die klassische Route über den Südgrat.“ „Nein danke, der ist mir zu schwer.“ „Und wenn ich die schweren Seillängen vorsteige?“ „Na, dann brauchen wir ja ewig auf den Gipfel, wenn Du zwei Seilschaften hochführen willst.“ „Ist doch nur eine Seillänge VI.“ „Und was ist mit den anderen dutzend Seillängen V, V+?“ „Die hast Du doch locker drauf.“ „Ja, im Klettergarten mit Klebehaken alle zwei Meter.“ „Na dann üben wir halt noch ein bisschen in Gerolstein.“ „Dann müssen wir aber noch viel üben.“ „ Und was ist mit dem Ostgrat? Der ist doch deutlich leichter IV+ oder so.“ „Ja, das stimmt, aber soll lange nicht so schön sein.“ „Und der Westgrat?“

„Wie lang sind denn die Touren da so?“ meint Mira. „Na, so an die zwanzig Seillängen, können auch ein paar mehr sein.“ „Das ist aber nicht alles, kommt auch noch der Abstieg mit Kletterstellen II und die Firnrinne dazu.“ „Wird auf jeden Fall kein langweiliger Tag.“ sagte ich lachend. „Gutes Wetter müssen wir halt haben, sonst brauchen wir überhaupt nicht erst hinzufahren.“

Ring, Ring! „Münster.“ „ Hallo Frank, das Wetter ab Mittwoch sieht nicht schlecht aus. Für Donnerstag ist sogar Kaiserwetter angesagt. Sollen wir?“ „Ja, gut, - wann fahren wir?“ „Würde sagen, Mittwoch morgen – so gegen halb fünf.“

Dank lebhaftem Verkehr brauchen wir ca. sieben Stunden bis nach Göschenen an der Gotthardstrasse, kurz vor dem Tunnel. Dann geht es noch ein paar Kilometer das Tal hoch in Richtung Göschener Alp. Zweieinhalb Stunden sollen es sein bis zur Salbithütte, dem Ausgangspunkt für Ost- und Südgrat. Nach etwa 1 ½ Stunden durch steilen Wald und vorbei an der von Lamas besiedelten Regliberg Alm. - Vorsicht Spuckgefahr! - Wenige Meter weiter bleibt der Wald zurück und ein Wahnsinns-Anblick tut sich im Westen auf. Der Salbitschijen - im Profil der atemberaubende Südgrat.

Wir machen noch eine längere Pause und genießen die Aussicht. Am späten Nachmittag erreichen wir die Hütte und sind direkt angenehm überrascht, denn zum Empfang werden wir erst mal zu einem Umtrunk eingeladen. Wenig später richten wir uns im Lager ein und machen es uns gemütlich.

Nach einem leckeren 3-Gänge Abendmenü und nachdem wir die frühestmöglichen Frühstückszeiten geklärt haben, genießen wir den Abend noch bei einer guten Flasche Rotwein, ehe wir uns bei Zeiten zu Bett begeben.

Am nächsten Morgen werden wir gegen fünf Uhr durch Geklapper aus dem Speiseraum aufgeweckt. Wir wundern uns, denn uns wurde versichert, dass es Frühstück erst um 6.00 Uhr gibt. Rasch stehen auch wir auf und machen uns fertig.

Aber was ich befürchtet hatte, tritt natürlich ein. Ein Bergführer hatte, wie so oft in der Schweiz, Sonderzeiten zugestanden bekommen und wir konnten uns beeilen wie wir wollten: Das Rennen um den ersten Platz am Einstieg konnten wir nicht mehr gewinnen, es sei denn, wir hätten auf unser Frühstück verzichtet.

Rund eine halbe Stunde nach dem Bergführer mit seiner Gruppe verlassen wir die Hütte. Aber alles Eilen nützt nichts. Nach ca. einer Stunde erreichen wir durch eine Kaminrinne den Einstieg zum Südgrat, aber bei unserem Eintreffen ist die Gruppe vor uns gerade dabei, in die erste Seillänge einzusteigen.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns fertig zu machen und hinterher zu klettern.

Drei Seilschaften haben wir nun vor uns und wir direkt hinten an.

Schon die erste Seillänge zeigt uns, wo die Latte hängt – direkt die ersten Meter französisch 5a (V+), aber immerhin Haken so ca. alle 6-7 Meter. Es geht, auch wenn es hart ist, so ein Kaltstart am frühen Morgen. Auch braucht es seine Zeit, sich an den grifflosen, aber rauen Granit zu gewöhnen.

Nach fünf Seillängen, während derer wir regelmäßig auf die vorsteigenden Seilschaften auflaufen, erreichen wir den Zahnturm. Über ein Band erreichen wir die erste von zwei Abseilpassagen. Ca. 20 Meter geht es überhängend in Richtung Westen hinunter. Dann ein kurzer Aufstieg in die Zahnscharte, um wenig später über sagenhaft steile Platten den nächsten Turm mit dem sogenannten Elefantenbauch anzugehen. Die Schwierigkeit wechselt ständig zwischen IV+ bis V+. Griffarm, Reibungskletterei und sagenhaft luftig – ich genieße es und man gewöhnt sich recht schnell dran. Oder nicht? Zwischendurch frage ich, ob Mira oder Frank mal vorsteigen möchten. Nein, Mira lehnt dankend ab und Frank meint, er möchte mir den Genuss des Vorstiegs nicht vorenthalten.

Immer wieder müssen wir an den Ständen Zwangspausen einlegen. Trotz souveräner Führung von Paul, dem erfahrenen und sympatischen Bergführer vor uns, brauchen die drei Seilschaften doch erhebliche Zeit. Aber Fantasie entwickeln sie, um die immer wieder zu schweren Passagen zu überwinden. Von Steigschlingen über Expressflaschenzug bis zur kombinierten Doppelseil-Hochzugtechnik werden da alle Register gezogen.

Zwischendurch zieht ein anfliegender Hubschrauber unsere Aufmerksamkeit auf sich. Er kommt aber nicht zu uns, sondern fliegt zum gegenüberliegenden, gut einsehbaren Westgrat. Wie wir beobachten können, wird ein Bergretter zu Bergsteigern abgelassen und wenig später werden in zwei Anläufen die zwei Bergsteiger ausgeflogen. Wie wir später erfahren, stürzte ein Kletterer. Ein Felsblock, um den der Kletterer eine Schlinge gelegt hatte, brach zudem heraus, so dass er ca. 20 Meter tief stürzte. Zum Glück erlitt der junge Mann nur schwere Prellungen. Sein Partner, der eigene Vater, hatte dasselbe, sagenhafte Glück, denn der ausbrechende Felsblock verfehlte Ihn nur knapp. Solcherlei Probleme hatten wir hier auf dem Südgrat nicht. Nie vorher habe ich einen Grat in solch bombenfestem Fels begangen. Schon am Anstieg hatte ich mich gewundert, warum die Gruppe vor uns ohne Helme eingestiegen war. Paul, der erfahrene Bergführer, wusste, dass sie sich das hier erlauben konnten.

Mittlerweile ist es Mittag geworden und es ist klar, dass wir den Gipfel nicht mehr in der angegebenen Zeit von 7 Stunden schaffen können.

Wir erreichen den Stand vor der Schlüsselseillänge auf den Plattenturm. Dann großes Geschrei und Aufregung. Die Vorsteigerin in der zweiten Seilschaft vor uns ist in der Schlüsselpassage gestürzt. Dummerweise hat sie sich beim Stürzen nicht mehr von der Wand abdrücken können. Der raue Granit tut Ihrer Haut überhaupt nicht gut. Derart geschunden verlässt verständlicherweise die junge Frau der Mut und sie lässt sich nun von Paul von oben nachsichern. Auch dem dritten Vorsteiger ist die Sache nicht mehr ganz geheuer und auch er lässt sich nun von oben nachsichern.

Ganz geheuer ist mir die Sache nun auch nicht. 5c+ (VI) sagt der Führer - das ist nicht mehr weit von meinem Limit entfernt, aber das angebotene Seil von oben möchte ich dann doch erstmal nicht nutzen.

Mit leicht mulmigem Gefühl steige ich in die Platten des Turmes ein. Eine kleine Rissspur, die gerade so reicht, um mit den Fingern Druck ausüben und das Gleichgewicht zu halten, hilft auf den ersten 3 bis 4 Metern. Die Hubarbeit müssen die Beine alleine übernehmen, was dank des rauen Granits aber doch noch geradeso gelingt.

Kurz darauf erreiche ich die Gratkante und von da ab ist der Rest gewonnen und bald darauf habe ich den nächsten Stand erreicht. Wenig später folgt Mira und unter leichtem Zug von oben erreicht sie, zwar lauthals fluchend ohne größere Schwierigkeiten Kante und Stand. Dann folgt recht locker und souverän Frank und schafft ebenfalls ohne Probleme diese Passage.

Am Ende des Plattenturms folgt nochmal eine überhängende Abseilstelle, ehe wir dann in leichter werdender Kletterei die Gipfelwand erklimmen. Es wird langsam spät. Ich weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist. Es ist früher Abend geworden und so langsam merke ich doch die Müdigkeit. Dennoch zieht sich der Anstieg bis kurz vor den Gipfel. Das letzte Stück über den Grat legen wir dann seilfrei zurück und kurz vor 20.00 Uhr erreichen wir den Gipfel mit der Gipfelnadel. Ein kurzes Foto - schon im Dämmerlicht - auf dem Gipfel, und dann warten noch zwei Stunden Abstieg auf uns.

Nach einer halben Stunde Abklettern erreichen wir die Firnrinne, die wir größtenteils abfahren und um ca. 22.00 Uhr erreichen wir überglücklich, wenn auch etwas müde die Hütte.

Zu unserem Erstaunen wartet der Hüttenwirt noch mit dem Essen auf uns. Salatbuffet mit kaltem Braten. Etwas untypisch auf einer Hütte. Aber unser Erstaunen sollte noch größer werden. Das war nur die Vorspeise. Als Hauptspeise folgte noch ein komplettes Raclette, sehr zu Miras und meiner Freude. Weniger zu Franks. Er mag nämlich keinen Käse.

Umso mehr war er von unserem Rotwein angetan und so legten wir uns nach ein paar Gläsern müde aber glücklich und zufrieden ins Bett und ließen den Tag ausklingen.

Und dass der nächste Tag schon am späten Vormittag mit Gewittern aufwartete, störte uns dann nicht mehr.

Elmar Böckler

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