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Alpenverein Trier


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Tourenberichte

 

Elbrus Lenin Expedition 2013 (Teil 3)

Nachdem ich mich in 6300m (man muss erst mal 150 Höhenmeter vom Lager 3 absteigen und dann erst fängt wieder der Aufstieg an) von den Jungs (Marc und Vivian) verabschiedet hatte, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich es bis zum Gipfel schaffen könnte.

Ich dachte mir: „ich gehe einfach bis 6500m (o.k., einfach ist vielleicht ein falsches Wort) -- von dort aus kann man schöne Fotos von den Bergen in Tadschikistan machen“. Es war extrem kalt und sehr windig. Wir waren zu früh losgegangen und die Sonne hatte die Berge noch lange nicht erreicht. Meine Zehen waren trotz Expeditionsschuhen sehr kalt. Als ich den ersten Aufschwung auf 6500m erreicht habe, machte ich die Fotos, welche der Grund waren, wieso ich überhaupt bis dorthin gegangen war. Plötzlich sah ich, dass nicht weit von mir (obwohl in dieser Höhe die Entfernung sehr relativ ist und einem 10 Meter wie 10 Kilometer vorkommen können) ein paar Leute ihr Zelt aufgeschlagen hatten. Es waren 3 Tschechen (Renca, Jarda und Vasek). Vasek hatte dort oben die Nacht verbracht, Jarda und Renca waren kurz vor mir angekommen. Ich war froh, freundliche Gesichter zu sehen (zugegeben mit Balaclavas, Brillen und Daunenkapuzen konnte man die Gesichter nicht wirklich sehen). Zu dem Zeitpunkt dachte ich mir, dass ich meine Zehen nie wieder warm kriegen würde und hatte wirklich Angst, dass, wenn ich nicht so schnell wie möglich runtersteige, ich Erfrierungen erleiden würde. Deshalb sagte ich den dreien, dass ich umkehren würde. Darauf reagierte Renca direkt: „Nein, tue das nicht. Kommt mit uns, wir werden langsam gehen und werden viel essen und trinken“. Vasek wollte mich auch motivieren und meinte, dass ich hinter ihm gehen soll, da er ein großes Loch in der Hose auf dem Hintern hatte und dies vielleicht für mich ein Motivationsfaktor wäre! Ich musste lachen. Ich unterhielt mich noch kurz mit den dreien, aber dann ließ ich sie doch alleine gehen. Die Sonne erreichte endlich die Bergspitzen und ich fing an, doch noch langsam weiterzugehen. Die Etappe war relativ flach, bis ich vor einer steilen Eisflanke stand, wo ich mir nur dachte: „Ach du Kacke“! Ich habe mich dann erst mal hingesetzt und Schokolade ausgepackt... nach einer kurzen Zeit kam mir langsam ein anderer Tscheche von oben entgegen. Er meinte nur, dass er aufgeben würde und am Runtergehen sei. Ich habe mich kurz mit ihm unterhalten, weil ich auf seiner Jacke ein Logo einer Pumori Expedition bemerkt hatte. Er war im September erfolgreich auf diesen technischen 7000er in Nepal gestiegen, und meinte nun, dass ihm die Kraft für die Quälerei hier am Lenin fehlte. Ich blieb sitzen, genoss meine Schokolade (falls man es so bezeichnen kann -- da oben schmeckt alles irgendwie nach nichts) und beobachtete die Eisflanke. Ich war definitiv nicht motiviert, mich da hoch zu quälen. Dann habe ich aber an Vivians Worte denken müssen. Er hatte am Vorabend gemeint, dass wenn man es nicht bis zum Gipfel schafft, dann soll man wenigstens die Eisflanke hoch, weil dort bestimmt die magische 7000er Grenze liegt. Ach der Vivian, musste er ausgerechnet so etwas sagen? Ich schaute auf die Uhr. Es war sehr früh, zu früh um alles aufzugeben! Das war das entscheidende.

 

„Ich gehe die dämliche Eisflanke hoch“ Habe ich mir daraufhin gesagt. Man braucht bis zu 2 Stunden, um diese zu überwinden, indem man die steilen Serpentinen hochsteigt. Genau das, was ich nicht mag. Ich gehe liebe Direttissima.  Das habe ich dann auch gemacht und erstaunlicherweise bin ich sehr schnell vorangekommen. Ein Russe hat mich noch im unteren, nicht so steilen Bereich, überholt und sagte zu mir im Vorbeigehen, dass ich 10 Schritte machen soll, dann immer Pause und dass ich sehr tief atmen müsse. Das war irgendwie sehr lieb von ihm. Im oberen Teil, wo es richtig steil wurde (ich habe mir in dem Moment gewünscht, meine Eisgeräte dabei zu haben) hatte ich ihn wieder eingeholt. Oben angekommen (ich habe übrigens die Flanke unter einer Stunde geschafft) haben wir zusammen Tee getrunken und er meinte, dass ich mit ihm weiter gehen soll, da ich eine starke Frau mit gutem Tempo sei.  Zu dem Zeitpunkt bin ich mir als alles andere, aber sicher nicht als starke Frau vorgekommen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht vorhatte bis zum Gipfel zu gehen, bis hier hin und nicht weiter. Als ich dann auf den Höhenmesser geschaut habe, war ich sehr enttäuscht. Er zeigte nur etwas mehr als 6700m an. Der Russe bestätigte mir dies bevor er weiter ging. Mist, dachte ich mir nur, immer noch keine 7000m.  Dies hieß nur eins - ich musste mich weiter quälen. Von dort an habe ich angefangen, richtig die Einsamkeit und Naturschönheit zu genießen. Es war traumhaft. Einfach perfekt. In allen Richtungen weit und breit nur wunderschöne Bergszenerie. Schnee und Fels mischten sich zusammen und boten ein tadelloses Meisterwerk. Und plötzlich stand ich da (nein, noch nicht auf dem Gipfel). Vor mir lag das berühmte doppelte Schneeplateau. Von dort aus sieht man in der Ferne schon das Gipfelmassiv. An dieser Stelle habe ich mich hingesetzt und fast das Atmen vergessen. In diesem Moment ist mir klar geworden, dass ich es tatsächlich bis zum Gipfel schaffe. Die Emotionen, die durch meinen Körper geströmt sind, kann man nicht mit Worten beschreiben. Ich habe angefangen zu weinen. Ich habe dort oben im Schnee gesessen und habe geheult wie ein kleines Kind. In dem Moment wusste ich es: Ich werde es schaffen, ich werde für unser Team auf den Gipfel kommen. Die zwei Plateaus hatte ich schneller hinter mir als ich mir gedacht habe. Und dann hat man die ersten Felsen des Gipfelmassivs erreicht. Doch da darf man sich aber lange noch nicht freuen. Die richtige Quälerei fängt erst hier richtig an. Man kreuzt erst hier die magische 7000m Grenze und hat in dieser Höhe noch zwei Stunden vor sich bis zum Gipfel. Da hat man schon acht Stunden hinter sich und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass man durch die Gipfelfreude die Erschöpfung vergisst oder nicht mehr spürt. Man spürt sie verdammt intensiv! Und plötzlich ist man dort. Man sieht die Metallbüste des Lenins und man weiß, dass das Ziel erreicht ist. Auf dem Gipfel habe ich dann Jarda und Renca wiedergetroffen. Diese waren auch sehr froh, mich dort zu sehen. Renca erzählte mir, dass sie die ganze Zeit an mich gedacht hatte und gehofft hatte, dass „das slowakische Mädchen“ es nicht aufgibt. Auf dem Gipfel waren meine ersten Gedanken bei meinen vier Jungs, die es leider nicht bis dort geschafft hatten. Doch für mich schon, für mich waren alle vier da mit mir. Sie waren in meinem Herzen und haben mich in Gedanken die ganzen langen zehn Stunden begleitet. Sie waren auch der Grund, wieso ich nicht aufgegeben habe. Wir waren ein Team und ich habe es für unser Team gemacht. Ich verewigte direkt unterhalb der Lenin-Büste im Schnee alle unsere Namen. Alle für eine und eine für alle! Diesmal war es zwar „Eine für Alle“, aber ohne die Unterstützung und den Zusammenhalt speziell vom Vivian und Marc hätte ich es niemals geschafft, auf dem Gipfel zu stehen. Es mag sein, dass ich an dem Tag besser in Form war oder einen stärkeren Willen hatte als die zwei, aber das was zählte war die ganze Zeit vorher und nicht nur der Gipfeltag. Mir wäre viel lieber gewesen, wenn ich die Aussichten und die ganze Atmosphäre dort oben mit meinen Jungs hätte teilen können…

Geschafft! Barbora an der Gipfel-B�ste.

Ich verabschiedete mich von Renca und Jarda und machte mich auf den Weg zurück. Erst beim Abstieg fing ich dann an zu überlegen, wie meine vier Jungs auf den Erfolg reagieren würden. Mit vier Männern unterwegs zu sein und dann als einzige den Gipfel zu schaffen, dass muss ziemlich niederschlagend fürs Männerego sein! Erst hier habe ich angefangen mir Sorgen zu machen ;-). Ich habe daran gedacht, wie diszipliniert ich mich auf die Expedition vorbereitet habe, wie anstrengend und intensiv mein Konditions-Lauf-Training in den vorherigen Monaten war. Das alles nur deshalb, weil ich wusste, dass ich nur mit Männern unterwegs sein würde und dass ich wahrscheinlich das schwächste Glied darstellen würde. Ich wollte verhindern, eine Belastung für die Expedition zu sein. Ich wollte niemanden enttäuschen und mit den Jungs mithalten können. Mit diesen Gedanken bin ich schnell runtergestiegen. Als ich zurück auf 6400m war, konnte ich schon unser Lager in weiter Entfernung sehen. Ich konnte sogar ein paar Leute als kleine schwarze Punkte auf der anderen Seite ausmachen. Jetzt musste ich nur noch 350 Höhenmeter runter laufen, um die 150 Höhenmeter des Gegenanstiegs bis zum Lager 3 hochsteigen zu dürfen. Als ich schon fast unten war, bemerkte ich, dass ein schwarzer Punkt sich von der anderen Seite näherte. Aus dem schwarzen Punkt wurde ein grüner und schließlich ein Vivian in seiner Immelmanjacke. Vivian ist mir für die letzten Höhenmeter entgegen gekommen. Obwohl es unmöglich war, dass er mich vom Hochlager aus hätte erkennen können, erzählte er mir, dass er nur eine Person kennen würde, die den Berg so schnell runter laufen kann und das war ich!!! Ich erzählte ihm, dass ich oben war und er freute sich riesig. Er meinte nur, dass wenn jemand von uns den Gipfeln hätte erreichen sollen, dann war ich es. Da sind mir ein zweites Mal die Tränen gekommen. Was für eine Erleichterung! Vivian hat mir dann meinen Rucksack abgenommen und zusammen sind wir ins Hochlager 3 aufgestiegen, wo Marc schon mit heißem Getränk auf uns wartete.

 

Barbora Orlikova

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