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Alpenverein Trier


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Tourenberichte

 

Die Leiden des Trierer Alpinisten

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Die Leiden des Trierer Alpinisten: die sich in vielen Touren bewährte Partnerin muss ausgerechnet dieses Wochenende passen. Also gemailt. Absage nach Absage: zu wenig spontan, andere Verpflichtungen, Termine, Zweifel daran an wessen Hände man sein Leben hängt. Also Anruf bei bayrischen Freunden: Nein, auch keine Zeit: Wohnungen von außen anschauen… Wohnungen anschauen? Von außen? Bei 26°C? Ende Oktober? Die Prioritäten der Menschen sind schon sehr verschieden.

Also Rückzug aufs Stille Örtchen mit einem Berg an Kletterführern und Kopien. Ah, im Jura gibt‘s so ein paar Grate im 4er Gelände. Perfekt für‘s Solo. Aber irgendwie konnte ich mich damit nicht anfreunden. Sei's wegen der kurzen Zu- und Abstiege, sei's wegen der kaum überwundenen Baumgrenze oder wegen des Plaisirtouchs… Eine Stunde vor der Abfahrt – erneut auf‘s Stille Örtchen zurückgezogen. Und im Pause (Walter Pause: Im leichten Fels), diesem Sammelsurium an solotauglichen leichten Kletterführen mit genialen Schwarzweißfotografien, fündig geworden: es geht ins Karwendel!

Hikr.org hat Serverprobleme. Egal: dann muss eben die kryptische Beschreibung aus dem Pause reichen und ein paar Zeilen aus dem AV-Führer, die ich noch bei Googlebooks ausfindig machen kann.

Keine Zeit – dafür war die Autobahn gen Karwendel so frei wie nie zuvor. Staulos zwischen Karlsruhe und Ulm – das bekommt einen fetten roten Kringel ins Tourenbuch. Hat auch seine guten Seiten, wenn alle Welt zu Hause bleibt – Ende Oktober, bei 26°C und blauem Himmel…

Am nächsten Morgen also aus dem Zelt gepellt, Eis gekratzt ( naja, nachts sind natürlich nicht 26°C ) und in einer halben Stunde nach Innsbruck gedüst. Ankunft noch im Dunkeln. An den Bushaltestellen: Menschen mit Skistiefeln und Skiern, Leute mit Snowboards… Ist der Schnee vom vergangenen Wochenende doch noch nicht weg? Das verunsichert natürlich erst mal.

Durch die Stadt, diesem Gewirr aus Beton und Richtungen, und endlich einen Parkplatz am vermuteten Ausgangspunkt gefunden. Steigeisen in den Rucksack, Schuhe geschnürt und auf geht's. Nach 5 Minuten wird der Blick auf die Südseite der angepeilten Ziele sichtbar: weiß ist die Farbe! Klettern im beschneiten Bruch? Ich kneife. Ab ins Auto, noch ist es nicht zu spät, irgendwo in die flacheren, weniger beschneiten Voralpen umzusiedeln. In Kranebitten schaue ich nochmal in die Richtung „meiner" Berge. Es dämmert mittlerweile und das „Weiß" entpuppt sich bei den ersten Sonnenstrahlen als kalkweiß â€“ weiß vom Kalk! Von Schnee keine Spur. Das kommt davon, wenn man sich eine Saison dem Granit zuwendet: kalkweiß wird dann gleich schneeweiß. Na und dann noch die Skifahrer… Also Vollbremsung, 180°-Wende, Zufahrt kannte ich ja inzwischen, Schuhe geschnürt und auf geht's. Wenn mich jemand der Anwohner beobachtet hätte: die spinnen, die Piefkes… Immerhin hatte ich durch meine panische Extrarunde durch die Innsbrucker City nur 15 Minuten verschenkt. Ist ja noch nichts verloren und in 12 Stunden wird's erst dunkel…

Ach ja, an welche Pause-Tour geht's denn eigentlich? Nummer 41 war angepeilt. Südgrat auf die Vordere Brandjochspitze und Ost-West-Überschreitung über Hintere Brandjochspitze, Hohe Warte und Kleinen Solstein. 3- mit dem Kommentar: „Das Karwendel ist etwas verrufen wegen der Brüchigkeit seiner Kalkfelsen." (Pause). Aber erst mal heißt es: 1000 Höhenmeter Innsbrucker Stadtwald. Und das heißt: Forstwege über Forstwege kreuzen Pfade über Pfade. Mit etwas Glück finde ich dann den richtigen und weiß endlich auch, an welcher Stelle ich auf der Karte bin. Am Achselboden lichtet sich das Gelände – naja und die Blicke auf Tausende von Bergen kennt ja jeder selbst (hoffentlich). Auch ein Leiden: es gibt zu viele markante, eindrucksvolle, wilde oder wie auch immer verlockende Spitzelchen. Und mit jedem neuen Gipfelblick werden es mehr…

Bis zum Brandjochkreuz ist die Tour noch mehr Wanderung, auch wenn steiles wegloses Gras mit Schotter nicht so mein Liebling ist. Auf dem Brandjochkreuz kommt dann der Paranoiker durch: hoffentlich sieht mich niemand (vom 1600m tiefer gelegenen Innsbruck!). Weil die Vorstellung, dass da unten jetzt ein alter Hase sitzt, mich auf dem Brandjochkreuz beobachtet und sich denkt: Wo will der denn hin? Doch nicht etwa den Südgrat machen. Um diese Zeit, wo schon Schnee liegt? Also so was leichtsinniges… Und dann höre ich schon den Helikopter kreisen, die „Krone" titelt: Deutscher Bergwanderer… falsch eingeschätzt… Absturz… Nein, nein, nein… Schluss mit dem Wahn! Helm auf und auf geht's.

Der Südgrat auf die Vordere Brandjochspitze ist gelb markiert und fasziniert mich besonders aus einem Grund: Man schaut und denkt sich: Wo soll es hier in diesem Gewirr aus Türmen, Abgründen und steilen Wänden für 3- zum Gipfel gehen? Und irgendwie geht es doch. Schlüsselstelle Kamin – muss man tatsächlich mal klettern. Schlüsselstelle Spreizschritt – da lacht der Zweimetermann natürlich drüber. Kurz vor dem Gipfel wird es dann noch unangenehm. Die westseitige Umgehung des letzten Turmes bietet noch eine von der Nacht gefrorene dünne Schneeauflage. Dünne Schneeschicht und darunter Schotterkram und auch mal Platte – immer schlechte Kombination, wenn man einen steilen Hang quert. Und dann endlich: 1. Gipfel. Vordere Brandjochspitze. Wer sagt‘s denn.

Der Blick auf die Überschreitung dann zum Kleinen Solstein dämpft etwas die Euphorie. Überschreitung ist auf und ab und auf und ab und auf und ab und… Es sieht aus: weit, steil und Schnee, vor allem nordseitig. Und von nordseitigen Gratumgehungen spricht gelegentlich auch mal der AV-Führer. Bei 2000 Metern Grat kann schon ein einziger Meter ausreichen, der einem die Tour vereitelt und zum Umdrehen zwingt. Doch zu viel gewollt um diese Jahreszeit? Der kleine Mann mit den Zweifeln im Ohr wird doch wieder sehr laut. Hoalt die Poappen! Ich geh erst mal kucken…

Markierungen und sonstige Begehungsspuren gibt es auf den nun folgenden Gratabschnitten keine. Doch: die Gipfelkreuze. Dafür wird es noch einen Zacken brüchiger. „Mal kucken" – mir nichts dir nichts stehe ich schon auf der Hinteren Brandjochspitze. War doch gar nicht so schwer. Gehen wir mal weiter „kucken". Der Ostgrat auf die Hohe Warte ist als 3-, brüchig angegeben. Wohl gemerkt: wenn in einem Karwendel-Führer explizit „brüchig" steht, dann heißt das schon was. Die Schlüsselstelle moralischer Natur folgt auch direkt beim Abstieg von der Hinteren Brandjochspitze: ein abbrechender Gratturm. Die südseitige Umgehung finde ich nicht, beziehungsweise scheint sie mir noch grauenhafter. Am Turm selber eine Uraltabseilschlinge um einen Felsblock, die mir aus zwei Gründen nichts nützt: 1. Kein Seil dabei. 2. Sowieso kein Vertrauen gehabt, dass der Felsblock, der der Schlinge den Halt gibt, meine 80kg gehalten hätte. Also Abstieg mehr am Grat als nördlich, denn da verbietet der Schnee jedes Weiterkommen. Das Gestein: wie ineinandergesteckt. Nur eben leider instabil ineinandergesteckt. Links geht's ab, rechts geht's ab. Und wenn ich hier abgehe…? Am besten Beine breit und versuchen, den unter mir liegenden flachen Gratabschnitt im Reitsitz zu erwischen. Aua! Aber das Muster: was tun, wenn… (und natürlich die Tatsache, dass zufällig alle Tritte und Griffe hielten) hilft mir, den Abstieg von diesem Grattürmchen ohne zittrige Knie zu absolvieren. Hier noch einmal lang, wenn ich durch die kommenden Verhältnisse zum Umkehren gezwungen werde? Never! Ab jetzt nur noch Flucht nach vorn!

Auf der Hohen Warte: ein bisschen Schnee, keine Spuren, kein Mensch weit und breit. Bergstille par excellence. Gestählt durch die eben gemachten Erfahrungen bietet der Solstein-Ostgrat keine Hindernisse mehr. Der Reitgrat ist sogar richtig fest und fast kommt auf ein paar Metern so was wie Klettergenuss auf.

Auf dem Kleinen Solstein angelangt: 2000 Meter über Innsbruck. Es gibt noch einen Großen Solstein, der aber niedriger und deutlich grasbergiger ist als der Kleine. Den schenke ich mir deshalb. Was jetzt folgt, ist nur noch der Wanderabstieg.

Nur noch… Nach der Über- folgt die Unterschreitung. An der neuen Magdeburger Hütte – wie alle Hütten um diese Jahreszeit natürlich geschlossen – tönt der Wegweiser: 4h bis Innsbruck-Hötting. Na, da schaffe ich es immerhin noch im Hellen zurück… Noch 4 Stunden, v i e r lange Stunden bis zu dieser einen Flasche Apfelschorle, die gekühlt im Schatten unter dem Beifahrersitz im Auto auf dem Parkplatz in Innsbruck-Hötting liegt… Ich habe noch einen Schluck. Die Sonne brennt wie im Sommer. 4 Stunden. Apfelschorle. Traverse an aufgeheizten Südhängen. Der Geruch heißer Latschen. Und die staubtrockene Kehle. Und zugegeben: ich bin schon ganz schön erledigt… Den einen noch verbleibenden Schluck teile ich mir auf 7 Schlucke auf. Nur nicht gierig werden. Da gab es mal so einen Film: der Held, eingebuddelt im Wüstensand, nur sein Kopf schaut heraus. Am Verdursten, schon halb bewusstlos, nähert sich ihm eine Schlange, natürlich genau auf seinen Kopf zu. Und happ: beißt er ihr den Kopf ab, um an ihrem Blut seinen Durst zu stillen. Was für ein Bild! Putt, putt, putt, ihr Tiere des Waldes…

Eine halbe Stunde vor Hötting: Wirtshaus Rauschbrunnen. G E Ö F F N E T ! Bei so einem Namen… Perfekt. Getränke geordert und gierig hineingeschüttet. Schon viel besser und der Rest bis zum Auto vergeht wie im Flug. Tolle Tour! 10 Stunden auf den Beinen, ein paar Alles-oder-nichts-Erlebnisse, und natürlich die alpine Bergwelt soweit das Auge reicht. Meine Priorität habe ich gefunden. Und am nächsten Tag gab‘s selbstverständlich noch eine Tour aus dem Pause. Tipp für Nachahmer: Übernachtung auf der Neuen Mageburger Hütte einplanen oder eher nach Innsbruck absteigen und den Rest mit Bus oder Bahn zum Ausgangspunkt zurück. Macht das Ganze entspannter. Tipp 2: Trotz leichtem Fels ist „Im leichten Fels" gefährlicher, weil schlechter zu sichern, als mancher alpiner 6er. Man muss deshalb nicht jede Tour aus dem Pause machen. Manche aber schon J Mehr Bild als Text auch von weiteren Touren gibt's auf www.bergstille.de

 

Ted Schirmer

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