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Alpenverein Trier


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Tourenberichte

 

Der Kyajo Ri, ein 6000er abseits der Massen

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Es gibt viele Gründe dafür, nicht nach Nepal zu reisen. Berge gibt es auch in den Alpen. Haufenweise. Schön sind sie, und hoch, wenn auch keine sieben- oder achttausend Meter. Anreise und Akklimatisierung gehen schnell, man muss nicht mehrere Tage rumlatschen um den Einstieg zu erreichen, sondern kann die Tour am Vorabend bei zünftigem Hüttenschmaus, Rotwein und Enzian so richtig gemütlich angehen. So in etwa lauteten meine Argumente, als mich Barbora vor genau einem Jahr davon überzeugen wollte, nach Nepal zu fahren. Zugegeben, ich war zäh, sehr zäh. Und doch, die Idee, einmal in die Kultur des Himalaya einzutauchen, die höchsten Berge der Welt zum Greifen nah zu sehen und zudem noch einen Sechstausender zu besteigen, einen Gipfel, der definitiv höher ist, als das, was wir von den Westalpen her kennen, ließ auch mich nicht locker.

Im Winter begannen wir, Pläne zu schmieden. Beim anzupeilenden Gipfelziel gab es die meisten Meinungsverschiedenheiten. Die Vorstellung von der Menschenmenge auf manchen Trekking-6000ern und dass man einen Gipfel wie den Island oder Mera Peak mit gleich Dutzenden Anderen teilen muss, war für uns Grund genug, uns etwas näher mit dem Kartenmaterial und den verfügbaren Informationen auseinanderzusetzen. Wir stießen auf den Kyajo Ri (6186 m) in der Khumbu-Region, eine traumhaft schöne, freistehende und fotogene Firnpyramide im versteckt liegenden Kyajo-Ri-Tal, nordwestlich von Namche Bazar und nur einen Steinwurf vom Mt. Everest und vom Cho Oyu entfernt. Dass der Berg so wenig bekannt ist, liegt daran, dass er erst vor etwas mehr als einem Jahrzehnt von der nepalesischen Regierung freigeben wurde – 2002 wurde er durch ein französisches Team erstbestiegen –, der Zustieg etwas kompliziert und umständlich ist und sich der Berg auf seiner am leichtesten zugänglichen Route, dem SW-Grat, mit Firn und Eis bis zu immerhin 60° präsentiert. Die Erstbesteiger bewerteten die Route als "D"-Tour. Bis heute ist der Kyajo Ri alles andere als ein Mainstream-Sechstausender geblieben.

Der Everest

Nach dem Motto "schwierig aber machbar" machten wir uns konkret an die Planung. Sehr einfach war das nicht. Neben dem Bericht der Erstbesteiger im "Alpine Journal", einer handvoll Tourenberichten im Internet und den Beschreibungen von zwei, drei Agenturen, die den Kyajo Ri anbieten, hielt sich die Verfügbarkeit an Informationen in Grenzen. Im Januar knüpften wir Kontakte zu einer Agentur vor Ort, die die Route kannte und buchten die Flüge. Der Traum vom Himalaya sollte sich erfüllen. Der Plan stand. Gemeinsam mit einem Sherpa und einem Träger wollten wir den Kyajo Ri im Mai in Angriff nehmen. Akklimatisieren wollten wir uns mit einer traumhaften Umrundung des Bergs über Namche Basar (3440 m), das Everest Base Camp (5364 m), den Aussichtsberg Kala Patar (5580 m), den Cho-La-Pass (5360 m), Gokyo (4840 m) und den Renjo-La-Pass (5410 m) und Thame (3800 m). Wenn ihr euch nach diesen zwei Wochen Trekking nicht an die Höhe angepasst hat, dachten wir uns, könnt ihr den Gipfel sowieso vergessen.

 

Kloster von Thamo

4.- 6. Mai: Von Luxemburg aus geht's mit dem TGV nach Paris und von dort aus über Doha nach Kathmandu. Kulturschock gleich doppelt: zum Einen in Doha, wo wir auf eindringlichste Art und Weise Zeugen davon werden, welch krasse Kluft zwischen qatarischer Oberschicht und nepalesischen Gastarbeitern besteht, zum Anderen in Kathmandu, einer Stadt, die fasziniert und abschreckt zugleich, die schrill und bunt ist, laut und chaotisch, zum Teil aber auch still und andächtig. Wir besichtigen die Stadt, gemeinsam mit Harkan, einem Stadtführer, der sogar perfekt Deutsch spricht. Nachmittags treffen wir Sonam, unseren Sherpa, um die letzten Details abzusprechen und investieren an einem Kiosk in Thamel in Rupien. Abends essen wir Dal Bhat Tarkiri (Reis, Linsen und Gemüsecurry), ein Gericht, das es nicht zum letzten Mal geben wird.

7.-9. Mai: Um 6.30 Uhr steht der Flug nach Lukla (2800 m) bevor. Mit mulmigem Gefühl sitzen wir in der engen Propellermaschine und beten, dass das nicht unser letzter Tag ist. Die Fluggesellschaft heißt Agni Air. Sonam sagt trocken und nüchtern: "Agni bedeutet soviel wie Feuer". Naja, unser Vertrauen in die Gesellschaft hat das nicht unbedingt gefestigt. Doch die Bedingungen sind perfekt: kein Wind, ein Traumwetter mit Sicht bis zum Everest und ein Pilot, der auf der 450-Meter-Piste des Hillary Airports eine sanftere Landung hinlegt als der Pilot der Boing von Qatar Airlines in Doha. In Lukla lassen wir einen Teil des Materials wie Eisgeräte, Steigeisen und Schalenschuhe, das wir für das zweiwöchige Trekking nicht brauchen und lassen es gleich nach Thamo bringen, von wo aus die Expedition starten wird. Wir brechen auf zu einer kurzen Etappe nach Phakding (2650 m), wo wir übernachten. Während des Trekkings schlafen wir in Lodges, in der dicht besiedelten Region eine liegende Option. Von Phakding aus wandern wir nach Namche Bazar (3440 m). Der Zeitraum im späten Frühjahr ist für die Hochtour optimal. Die Eisbedingungen sind meistens gut, die Lawinengefahr ist geringer als im Herbst. Für das Trekking lohnt sich diese Zeit vor allem dadurch, dass das Wetter angenehm warm ist und die Rhododendron-Bäume blühen – ein fantastisches Bild. Zwei Übernachtungen in Namche zwecks Akklimatisierung. Wir steigen auf zum Everest View Hotel und sehen den schwarzen Riesen zum ersten Mal. Ein Juwel ist der kleine Buddha-Tempel von Khumjung am Fuße des heiligen Bergs Khumbui Yui La. Meine Frage ob man da rauf darf, wird mit einem unmissverständlichen „Nein" beantwortet. Auf der Rückseite des Bergs, nach Westen hin, befindet sich das Kyajo Ri Tal, dort wo wir unser Basis Lager aufbauen werden.

 

Renjo-la-Pass

10.-14. Mai: Namche ist ein perfekter Ort, um sich ein letztes Mal mit günstigem Futter und anderen Utensilien einzudecken: Riegel, Schokolade, Klopapier, zur Not auch Rupien. Wir steigen auf nach Tengpoche (3867 m); zu unserer Rechten: der Ama Dablam, ein Traum von einem Berg, das Hörnli des Khumbu. Der Tempel in Tengpoche ist gewaltig. Aus dem Portal dröhnen tief schnarchende Trompeten – ein unheimlicher Klang. Eine Prozession kommt aus dem Innenhof. Zwei Wochen vorher war ein junger Mann aus Khumjung bei einem Spaltensturz am Everest ums Leben gekommen. Die Mönche erweisen ihm die letzte Ehre. Über Dingpoche (4410 m) geht's nach Lobuche (4930 m) zum Everest Basislager (5364 m). Die letzten Höhenmeter schlängeln sich an der Seitenmoräne des Khumbu-Gletschers entlang. 36 verschiedene Expeditionen haben hier ihre Zelte aufgeschlagen. Die Mitglieder kämpfen zu jenem Zeitpunkt zwischen Camp 3 und Camp 4 gegen schlechte Bedingungen, vor allem Steinschlag, an. Nach zwei Stunden steigen wir ab nach Gorakshep (5140 m), wo wir übernachten und in den frühen Morgenstunden des Folgetags den Aussichtsberg Kala Patar (5580 m) mitnehmen, um gleich weiter nach Dzongla (4835 m) zu ziehen. Barbora macht eine Erkältung mit Halsweh zu schaffen. Ich habe latente Kopfschmerzen und mit der Höhe hat sich langsam aber sicher auch der Appetit verabschiedet. Wie war das mit dem Hüttenschmaus und dem Rotwein in den Alpen...?

15.-18. Mai: Barboras Halsschmerzen sind schlimmer geworden. Sie nimmt Antibiotika und musste sich in der Nacht übergeben – keine gute Voraussetzungen, um den anspruchsvollen Cho-La-Pass (5360 m) in Angriff zu nehmen. Doch wir schaffen es: nach einer Etappe mit Hochtourenformat und großartigen Ausblicken erreichen wir am Abend Dragnak (4700 m). Wäsche machen. Am Folgetag: Ausschlafen und eine kurze Etappe zum wundervoll, an einem magischen See gelegenen Gokyo (4840 m), bevor wir am 17. Mai den Renjo-La-Pass (5410 m) überqueren. Barboras Erkältung hat sich gebessert. Jetzt kämpfe ich mit der Kondition. Vom Pass aus hat man Traumblicke auf Everest und Ama Dablam. Der Abstieg nach Thame (3800 m) und Thamo (3440 m) tut richtig gut.

Aufstieg zum Kyajo Ri

19.-29. Mai: In Thamo treffen wir Pemba Sherpa, einen Freund von Sonam, der uns bei der Kayjo-Ri-Besteigung begleiten wird. Er war bereits erfolgreich auf dem Gipfel. Drei weitere Träger gesellen sich ebenfalls zu uns. Richtig gut erholt, brechen wir auf. Nach der Übersteigung eines Felsriegels &¨ffnet sich das Kyajo-Ri-Tal vor uns. Vom Heiligen Berg fallen wundervolle Platten ab. Ach ja, Klettern ist dort Tabu. An einem idyllischen Bach schlagen wir unser erstes Lager auf rund 4400 Höhenmeter auf. In der Nacht schneit es. Am nächsten Morgen steigen wir durch ein vereistes Couloir zum Höhenlager auf 5200 m auf. Den Berg haben wir immer noch nicht gesehen. Es ist neblig, fast gespenstisch. Doch für die kommenden Tage soll das Wetter besser werden. Darauf verlassen sich auch die Leute am Everest. Wir planen, am Folgetag (21.5.) in aller Früh über das Plateau des Kayjo-Ri-Gletschers zur Schulter aufzusteigen, von wo aus der breite Firngrat in Richtung Gipfel zieht. Kurz vor 5 Uhr geht's los. Zu viert (Barbora, Pemba, Sonam und ich) überqueren wir den aperen Gletscher und kämpfen uns ein Geröllcouloir übelster Sorte hoch. Ich kam mir vor wie bei der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück. Annähernd ähnliches Schrottgelände kannten wir nur vom Hintergrad am Ortler. Naja, auch der ist das Opfer der zurückgehenden Gletscher.

Doch so schlecht kommen wir nicht voran. Vor 8 Uhr sind wir am Sattel auf 5500 m. Wir blicken zum Gipfel, schauen uns an und packen den Krempel aus. Versuchen wir's gleich, wer weiß wie das Wetter morgen wird. Nach einem etwa 45° ansteigenden ersten Teil, kommt steiles kombiniertes Gelände, bevor wir nach gut zwei Stunden einen kleinen Sattel erreichen. Danach ist nur wenig Leerlaufgelände. Zwischen 55 und 60° geht's zum Teil über eine gute Firnauflage, zum Teil aber auch durch recht morsches Eis in

Am Gipfel

Richtung Gipfel. Pemba steigt vor. Wir gehen streckenweise am laufenden Seil, müssen aber immer wieder über Schrauben und Firnanker sichern. Um 14 Uhr erreichen wir den Kyajo Ri (6186 m), bzw. müssen unsere Fotos einige Meter unterhalb des eigentlichen Gipfels machen, da dieser lediglich aus einem Eisblock mit abschließender Wechte besteht. Leider war der Gipfel nur die halbe Miete. Der Abstieg gestaltet sich sehr, sehr mühsam: wir müssen das gesamte 600-Meter-Teil überwiegend rückwärts und mit 2 Eisgeräten abklettern. An der Schulter angekommen, heißt es „Stirnlampen raus" und wir torkeln das finstere, lose Couloir runter. Zu allem Übel hat sich das Gletscherplateau tagsüber in eine Art See verwandelt – Dinge, die einem nach einer 16-Stunden-Tour gerade gelegen kommen. Um 21 Uhr erreichen wir das Lager, zu müde um überhaupt noch Hunger zu haben.

Das Team vo Kyajo Ri

Nach einem Ruhetag im Höhenlager geht's zurück nach Thamo. Von dort aus über Namche zurück nach Lukla, das sich – oh, Freude! – in dichten Nebel hüllt. Seit Tagen läuft hier nichts mehr. Wetterbesserung ist nicht in Aussicht, so dass wir uns nach zwei Tagen Warten entschließen, gemeinsam mit vier Russen, mit dem Heli nach Kathmandu zu fliegen, um nicht unseren internationalen Flug zu verpassen. Am 28. fliegen wir zurück und kommen am 29. Mai wieder in Paris und Luxemburg an.

Fazit: Die Reise nach Nepal hat sich gelohnt. Mit je 5 Kilo weniger auf den Rippen, aber um 1000 Erfahrungen reicher, sind wir zu Hause angekommen.

 

Barbora Orlikova und Marc Fiedler

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